Mutationsblues

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Mutationsblues
Frank Zappa, interviewed von der East Village Other Vol.2, Nr. 5, 1967

For lack of an original text here the German translation from the book "Acid, Neue amerikanische Szene," herausgegeben von R.D. Brinkmann & R.R.Rygulla, März bei Zweitausendeins, Darmstadt 1969. © Alle deutschen Rechte März Verlag, Darmstadt 1969.

Frank Zappa: Wenn die Jugendlichen sich irgendwie sowas wie Verantwortlichkeit verschaffen könnten ... Mit anderen Worten, es wird ja doch viel über Revolution geredet: "Ha, wir werden Revolution machen, Mann, wir machen Revolution ..." Sie könnten allen erzählen, was los ist, aber sie wollen nicht. Die Jugendlichen heute, so wie sie sind, haben die Macht, wirklich etwas aufzureissen. Denen könnte das ganze beschissene Land gehören. Verstehen Sie, so dass es ihnen gehört, und dass man es auch sieht. Jetzt gehört es ihnen, ohne dass sie es wissen. Sie sind die wichtigste Konsumentengruppe; sie haben die Wirtschaft der Nation am Sack. Aber man muss denen mal klar machen, was das heisst.
Direkt und indirekt kontrollieren sie die Produktion aller grossen Industrien. Automobile werden so entworfen, dass der junge Mann in der Familie dem Alten klar macht: "Das is'n klasse Schlitten, Daddy." Und das funktioniert auch, also sagt der Vater: "Mm, das ist wirklich ein heisser Ofen, kommt mir vor, als ob ich nochmal 20 bin, mit dem Ding unterm Hintern." Die Alten identifizieren sich mit den Jungen, und die Jungen machen denen 'ne ganze Menge Arbeit mit der Geschmacksbildung. Natürlich haben bis jetzt die meisten Hersteller nicht die leiseste Ahnung, was die Jugend wirklich will, oder wohinter sie her ist. Nur ein paar bringen es tatsächlich fertig den Jungen wirklich was anzubieten, was up to date ist und worauf die stehen.
EVO: Was meinen Sie damit?
Ein paar Textilfabrikanten. Die Schallplattenindustrie versucht mitzuhalten. Schaffts aber meistens nicht, ungefähr ein Jahr, würd ich sagen, hinkt sie hinterher. Aber fast alles andere hat sich nur irgend ein junger Manager ausgedacht; so'n Typ meine ich: etwa 30 Jahre alt, der auf dem College wahrscheinlich massenhaft rumgevögelt hat und den alle andern Knilche in der Fabrik bewundern. Er sagt: "Ich weiss was die Jugend will. Schaut doch selbst, wie jung ich noch bin." Er trommelt auf seine Brust und macht sich in der Firma wichtig. Er sagt: "Ich kenne doch die Jugend. Die wollen irgendwas Flottes. Hier hab ich zum Beispiel ...". Reisst das mal ebenso auf 'nem Meeting an, und dann sagen alle: "Klar, die Jugend ansprechen. Das ist die Masche. Pop Art, yeah yeah yeah." Und dann machen sie ein paar Pyjamas mit Campbell-Konservendosen überall drauf und machen ein Riesengeschäft. Yes, Sir."
So war's bis jetzt. Wenn sich die Jungen nur überall zusammentun würden und mal Inventur machen würden, sich ein Programm machen würden. Sie könnten das Land übernehmen und managen. Ich für meinen Teil fände es zum Kotzen, wenn sie jetzt damit loslegen wollten. Denn sie sind noch gar nicht im Stande irgendetwas zu managen. So wie sie jetzt sind, können sie noch nicht mal hin und zurück aufs Klo, ohne dass sie über die Tapete stolpern, Ich würde zum Beispiel sagen, dass es bei den Wahlen von 1972 durchaus drin ist, dass ein Kandidat gewählt werden könnte, der weder Republikaner noch Demokrat sein muss, sondern bloss jugendorientiert. Es ist möglich, dass bis dahin vielleicht doch ein Stimmrecht für die 18jährigen durchgedrückt würde und wir einen 18jährigen Präsidenten bekommen könnten. Ich weiss, ein Haufen Leute hätte Angst vor einem 18jährigen Präsidenten, aber ich habe Angst vor den Präsidenten, die über 30 sind.
EVO: Was halten Sie von, sagen wir, den Peaceniks, Johnson, Süd-Vietnam und ...
Frank Zappa: Peaceniks ... Scheissdreck. Demonstrationen dieser Art sind zwecklos. Die sind nicht effektiv. Die Leute haben eine irregeleitete Vorstellung von dem, was wirkliche Politik bedeutet. Ich kann nicht glauben, dass diese Leute wirklich meinen, wenn sie mit einem Schild herumlaufen, auf dem "Peace" ... na gut, würd ich sagen, okay, krebst nur herum mit eurem Schild, und ihr werdet schon sehen, was dann passiert. Saudumm ist das. Am Heiligenabend war ich oben in der Stadt und geriet mitten in so 'nen Vietnam-Friedensmarsach hinein, und Mann, da liefen doch diese Leute einfach so die Strasse entlang, und es war kalt, und sie trugen Einkaufstüten wo "Stop the War" draufstand. Da war die Frau mit ihrer Einkaufstüte und einem Haufen Flugblättern, und sie sang: "Stop the war in Vietnam, bring the troops back home. Stop the war in Vietnam, bring the troops back home."
Den ganzen Weg runter. Bis sie heiser war. Heiser für nichts. Vielleicht geht in ihren Köpfen folgendes vor: Pass auf, jemand wichtiges in dieser Stadt sieht uns hier herumlaufen, und der wird sagen: "Die Öffentlichkeit ist aufgebracht über den Krieg in Vietnam," und er wird's einem von seinen einflußreichen Freunden erzählen, und dieser Typ wird nach Washington laufen, und die dort werden davon hören, und die werden Schluß machen mit dem Krieg. Es ist doch möglich, dass sowas in ihren Köpfen vorgeht. Aber das ist totaler Blödsinn! Der Krieg muss beendet werden. Es ist ein habsüchtiger Krieg. So wie alle Kriege, schätze ich. Sogar die Kreuzzüge. Aber so lasst sich das nicht machen.
EVO: Was ist Ihrer Meinung nach der richtige Weg?
Frank Zappa: Nur der Präsident kann mit dem Krieg Schluss machen. Und wenn man jemanden will, der dieses Land so regiert, wie man's gerne haben möchte, und wenn man ein Peacenik ist und will, das irgendetwas getan wird, also Frieden meine ich, dann soll man jemanden dahinsetzen, der auch etwas tun kann. Man muss Leute in den Kongress holen, die etwas tun. Die Peacelöcher, Mann, die haben doch keine Ahnung, wer oder was hinter der Regierung steckt. Die meisten Leute, von denen es heisst, ja die sind in der Regierung, tun doch überhaupt nicht, wenn man genau hinguckt, denn die Macht ist in Wirklichkeit in den Händen von wenigen. Und von denen sind viele nicht in der Regierung, denn die Regierung wird teilweise vom Big Business kontrolliert. Die Machtstruktur ist fast so wie bei südamerikanischen Regierungen, wo das Militär die Führer vor dem Volk beschützt.
Wo wäre der Präsident ohne die SS-Leute um ihn herum? Was wären wir ohne den CIA? Ich glaube, es wurde höchste Zeit, dass die Jugend herausfand, dass die Nation, zu der sie gehört, auf einer gigantischen Lüge aufgebaut ist. Und weil sie ..................


Frank Zappa geboren am 21. 12. 1940 in Baltimore, leitet die acid-rock-freak group "The Mothers of Invention".
"Wie jede Religion, so hat auch die platten-produzierende Verklärungsindustrie ihren Entmythologen gefunden, ihren Kaputtmacher. Zappa zersingt Pot, Polente und Politik. Er macht sich seinen dreckigen Reim auf die schmutzige Gesellschaft, ist die bissigste Beat-Laus, die sich die grat society bisher in den Pelz gesetzt hat, und seine Underground-Oratorien liefern den genialsten und bösartigsten Kommentar zum American way of life und American way of politics, der je in Noten gesetzt wurde." Uwe Nettelbeck